Quanten-Computer stehen kurz vor ihrer weitreichenden Implementierung.

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Das Rennen hat begonnen

Quantencomputer stehen kurz vor ihrem großflächigen Einsatz. Der Durchbruch bei der industriellen Fertigung und der Alltags-Implementierung ist nur mehr eine Frage von wenigen Jahren. Die Großen in der Branche stehen in den Startlöchern und malen mit "Roadmaps" ein fantastisches Bild der digitalen Zukunft und eines beinahe unermesslichen Marktpotentials. Ein paar prinzipielle technische Stolpersteine - wie Dekohärenz, Fehleranfälligkeit und Instabilität - werden gerade aus dem Weg geräumt.      

Das aktuelle Jahr gilt in der Fachwelt als Milestone bei der Implementierung des Quanten-Computers. Freilich, ein paar essenzielle Fragen wären da noch zu klären. Fieberhaft gewerkt wird an der Fehlerkorrektur, der Stabilität von Qubits, der Verlängerung von Kohärenzzeiten, der Skalierung von Quantenchips und dem Einsatz der Technologie bei Raumtemperatur.  

Fehler erkennen, Lösung benennen 

Qubits sollen die Stabilität herkömmlicher Transistor-Schaltkreisen erreichen. Forschungseinrichtungen aus aller Welt bemühen sich um Lösungen. Eine Fehlerquelle steht dabei im Zentrum. Die Kohärenz stellt die Zeitdauer dar, die ein Qubit zugleich „0“ und „1“ anzeigt, bis es durch äußere Effekte in einen bestimmten Zustand übergeht.

Je länger die Kohärenz, desto mehr Rechenoperationen können prinzipiell fehlerfrei durchgeführt werden. Qubits müssen während der Ausführung eines Algorithmus in der Superposition verweilen. Die Dekohärenz hingegen beschreibt das Verschwinden von Quanten-Eigenschaften. Grund dafür sind Wechselwirkungen mit der Umgebung.

Im Modus der Superposition können Qubits zwei Zustände zugleich („0“ und „1“) darstellen. Kommen sie mit ihrem Umfeld in Berührung, beispielsweise mit Wärme oder Elektromagnetismus, geht Superposition – und damit die Rechenfähigkeit – verloren. Werden Quantencomputer ausreichend abgeschirmt, wird Dekohärenz vermieden. Erwünscht sind lange Kohärenzzeiten. Der Weltrekord liegt bei eineinhalb Stunden. Spezielle Verfahren erkennen und korrigieren auftretende Superpositions-Fehler, ohne den fragilen Quantenzustand zu beeinträchtigen. Interessanterweise lassen sich Fehlerraten bei umfangreicher Hardware eher bewältigen als bei kleinen Versuchsaufbauten. 
 
Die Nase vorn bei Skalierung  
 
„Skalierung“ bei Quantencomputern kann nicht einfach mit herkömmlicher Rechner-Infrastruktur verglichen werden. So ist nicht die Anzahl der Qubits ausschlaggebend, sondern wie sie miteinander verbunden werden. Essenzielle Fragen müssen abgearbeitet werden:  
 
„Wie erhöht man die Anzahl der Verbindungen?“  
„Welche Geometrie ist zuverlässiger, Schachbrettmuster oder Bienenwabe?“ 
„Kann man Hardware in ständig gleicher Güte produzieren?“ 
„Welche Wechselwirkungen folgen aus der Skalierung der Systeme?“  
„Welche Struktur wird verwendet, um die Kollaboration möglichst einfach zu gestalten?“  

Bei der Optimierung technischer Features von Quanten-Rechnern liefern sich bedeutende Unternehmen eine kompetitive Challenge. Das Motto lautet: „Raus aus dem Versuchsstadium, hinein in die großtechnische Fertigung!“ GOOGLES „Willow“ gibt seit Anfang 2025 eine Richtung vor. Mit bloß 105 Qubits („Transmons“) setzt das Produkt Maßstäbe bei Fehlerkorrektur, Stabilität und Skalierbarkeit. Transmons sind Basis-Bausteine für eine häufig verwendete Qubit-Architektur in supraleitenden Chips. Ihre vergleichsweise simple Geometrie erleichtert die Fabrikation. Die Kohärenzzeit von bis zu 100 Mikrosekunden schlägt manchen Konkurrenten um ein Vielfaches.  
 
Mit aktuell 4.158 und vorausgesagten 16.000 Qubits peilt IBM anhand der „Quantum Roadmap“ bis 2033 das Ziel an, einen Computer für Anwendungen in der Wirtschaft und Technik zu offerieren. Ganz oben auf der Agenda stehen Fehlerkorrektur, Automatisierung von Middleware und parametrische Schaltkreise. Letztere spielen eine gewichtige Rolle beim Machine Learning und der Quantenanpassung.     
 
MICROSOFT fokussiert sich auf Resilienz und Skalierung. CEO Sytya Nadella sieht im Quantencomputer nicht nur die unlimitierte Erhöhung von Parametern, sondern die spannende Möglichkeit, damit zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorzudringen. Im Februar 2025 stellte Microsoft den Prozessor „Majorana 1“ vor, der auf 1 Million Qubits hochgezüchtet werden kann. Seine kleinsten Recheneinheiten werden hardwaremäßig geschützt. Andererseits: auf Daten dieses ersten Qubits von Microsoft wartet die Welt bis heute noch. 
 
IONQ, „To build the world's best quantum computers to solve the world's most complex problems“, konzentriert sich in seinen Entwicklungen auf Ionenfallen. Geplant sind modulare Rack-Einbauten für Rechenzentren sowie algorithmische Qubits, die Prognosen jeder Art in Rekordzeit bewältigen.  
 
INTEL denkt siliziumbasierte Verfahren weiter. Zum Einsatz kommen Spin-Qubits. Der anvisierte Weg ermöglicht langfristig die Massenproduktion von fehlertoleranten Quanten-Bausteinen.  
 
Auf der Grundlage einer internationalen Studie zu den Quantencomputer-Roadmaps führender Akteure lassen sich die technischen und wirtschaftlichen Eckpunkte ablesen:  

  • Multinationale Technologie-Konzerne profitieren wahrscheinlich von einer starken Anwendungsdifferenzierung 
  • verbesserte Fehlerkorrektur soll Machine Learning weiter befeuern 
  • Software-Entwicklung steht vor einer entscheidenden Neuausrichtung 
  • mit Quanten-Forschung schaffen Unternehmen Mehrwert
  • ein Billionen-Dollar-Markt tut sich auf   
  • die industrielle Fertigung ist greifbar nahe 
  • Cloud Computing wird in eine neue Dimension gehoben
  • Großer Sprung für Wissenschaft und Forschung  

Der Einsatz der Quantencomputer richtet sich nach denkbar einfachen Vorgaben: Er ist dann sinnvoll, wenn ein Problem massiven Rechenaufwand erfordert und idealerweise wenig Speicher beansprucht. Es eröffnet sich daher das große Feld spezifischer Fragestellungen, bei denen am Ende des Rechenvorganges eindeutige Resultate herauskommen. 

Sobald die Hardware den gewünschten Level erreicht hat, können Optimierungsprobleme, maschinelles Lernen und kryptografische Aufgaben angegangen werden. Extrem gesteigerte Rechenpower ist Ausgangspunkt beim Design innovativer Werkstoffe.

Mit Quantenhardware lassen sich komplexe Molekülstrukturen am PC entwickeln. Industriell verwertbare Ergebnisse bei Hochleistungsbatterien, Supraleitung, chemischen Katalysatoren liegen bereits vor. Quanten-Computer werden den Fortschritt bei Energiespeichern und synthetischen Verbindungen rasant vorantreiben. Das Gesundheitswesen setzt große Hoffnungen auf die deutlich schnellere Evaluierung von klinischen Studien. In der Finanzbranche hält die Quantencomputertechnik ebenfalls Einzug, hier werden Portfolios adaptiert, Charts analysiert, Gewinnprognosen modelliert und Risiken minimiert.

Global Player in der Fertigung und Grundlagenforscher:innen an den Universitäten setzen seit jeher auf offene Kommunikation. Mit der „Europäische Erklärung zu Quantentechnologien“ beispielsweise wird von 27 europäischen Staaten die Bedeutung der Technologie anerkannt. Sie kooperieren eng bei der Entwicklung eines Quantentechnologie-Ökosystems von Weltrang und sollen den Kontinent zur führenden Region von Quantenexzellenz und Innovation heranführen: „Collaborate with each other and with the European Commission in the strategic and high-potential domain of quantum technologies, with the ultimate aim of making the EU the quantum valley of the world.”     

Demnächst in der Cloud 

Aufgrund der zu erwartenden Rechen-Power und der EU-Forcierung offener Rechenzentren müssen Unternehmen nicht zwangsläufig eigene Hardware anschaffen. Abo-Modelle, ähnlich den bereits etablierten, stehen im Raum. Hierfür buchen Anwender:innen Rechenzeit im Netz. Ein aktuell fiktiver Preis für den Zugang zu einer „Q-Cloud“ liegt bei 1.800 Euro / Stunde. Die Nase vorn haben hier die bekannten Mitspieler wie Amazon, Google, IBM und Microsoft.

Quanten-Technik wartet schon jetzt mit ein paar hilfreichen Praxisanwendungen auf. Die Energieerzeugung aus nichtfossilen Quellen und die Planung der dazugehörigen Stromnetze profitieren von der starken Rechnergeneration. Die Vorhersage-Modellierung des Verbrauches in Metropol-Regionen sowie die perfekt angepasste Netzauslastung werden von den Qubits abgearbeitet. Echtzeit-Lösungen machten den großen Sprung nach vorne möglich. Quantenbasierte Rechnerumgebungen sind in der Lage, die Stromverteilung stabil zu halten und Blackouts zu vermeiden.   

Mit Hilfe der Quantenkryptografie wird die Verschlüsselung von Daten auf einen neuen Level gehoben. Genutzt werden keine mathematischen Algorithmen, sondern die Prinzipien der Quantenmechanik.  
 
Quantencomputer werden eingesetzt bei der Prozesssteuerung. Dazu gehört die Planung von Routinen, Lieferketten und -routen, Flugverkehr und logistischen Aufgaben.  
 
Auch die herkömmliche Informations- und Netzwerk-Technik kommt in den Genuss der Innovationen rund um die Quantenalgorithmen. Sie assistieren bei der Ressourcenvergabe in Netzen, erhöhen Daten- und Übertragungssicherheit, revolutionieren das Internet der Dinge.  
 
Die „Wüsten“ unstrukturierter Datenbanken wir mit Hilfe der Quantensuche geordnet. Big Data und Suchmaschinenoptimierung stehen hier ganz oben auf der Agenda. 
 
Quantencomputing schiebt überdies das Thema KI kräftig an. Durch das Handling außerordentlich großer Datenmengen werden Fortschritte bei der Spracherkennung, der Bildanalyse und der automatisierten Entscheidungsfindung erwartet. 
 
Tiroler Technologie für Europa   
 
Das Tiroler Unternehmen Alpine Quantum Technologies (AQT) mit Sitz in der Landeshauptstadt mischt in Sachen Hardware kräftig mit. Auf der Basis jahrzehntelanger Erfahrung in der theoretischen und experimentellen Quanteninformationsverarbeitung werden praxistaugliche Ionenfallen-Quantencomputer „Made in Austria“ produziert. Ionenfallen-Technik nutzt elektrische Felder, um Ionen (geladene Atome) einzufangen. Diese werden von hochpräzisen Lasern manipuliert, um Quantenoperationen durchzuführen. Die gute Abschirmung von der Umgebung resultiert in langen Kohärenzzeiten von mehr als einer Sekunde. Lösungen werden angeboten für die Industrie, für Forschung, Wissenschaft und öffentliche Institutionen. Die von AQT hergestellten Quantencomputer lassen sich nahtlos in bestehende IT-Infrastruktur integrieren. Mit dem „Steinbock“ stellte AQT den ersten kommerziellen Rechner vor, der in ein 19-Zoll-Rack passt. Er verfügt über 20 vollständig verbundene Qubits. Die Rechner der neuesten Generation können vor Ort installiert werden oder komfortabel über eine Cloud-Applikation genutzt werden.  
 
Im Mittelpunkt steht der Leitgedanke der Europäischen Union. Sie will, dass künftig auf die existierenden Hochleistungs-Rechenzentren unbürokratisch zugegriffen werden kann. AQT lieferte zuletzt die Hardware für das Projekt „PIAST-Q“ in Polen. Die Rechner werden bei Raumtemperatur betrieben, verbrauchen weniger als zwei Kilowatt elektrische Leistung, sodass keine spezielle Kühl-, Wasser- oder Energieinfrastruktur erforderlich ist. Das Zentrum in Poznań (Posen) bietet europäischen Nutzern den Zugang zu einer hybriden Quantenarchitektur. Die Online-Ressourcen für Forschung und Innovation aus den Bereichen Chemie, Materialwissenschaft und Machine Learning werden bis Ende des Jahres verfügbar sein.     

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