Die Industrie 5.0 ist geprägt von einer langsamen, stillen Revolution.

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Die stille Revolution

Die industrielle Entwicklung erlebt derzeit eine Zäsur: Mit Industrie 5.0 beginnt eine Ära, in der Technologie, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung untrennbar miteinander verbunden sind. Doch der Wandel verläuft leise - oft unbemerkt, aber mit tiefgreifenden Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und individuelle Lebensrealitäten.

Der Status quo der industriellen Revolution wird als „Industrie 5.0“ beschrieben. Er zeichnet sich aus durch KI, Kreislaufwirtschaft und soziale Verantwortung. Die vier Vorgängermodelle der industriellen Revolution waren charakterisiert durch Mechanisierung (1750 – 1840), Massenfertigung und Elektrifizierung (1870 – 1910), Digitalisierung (ab 1970) und Vernetzung (ab 2010).  
 
Leiser Umbau bei laufendem Betrieb

Die „Stille Revolution“, die den Umbau aktuell vorantreibt, wird in zeitgenössischen Romanen und Kino-Dokus beschrieben. Dabei wird gezeigt, wie Arbeitswelt und Wertschöpfung von einem nicht umkehrbaren Kulturwandel durchzogen sind. Digitale Algorithmen gelangen in den Fokus der Betrachtung. Als Transformatoren definieren sie Arbeit, Kommunikation und Öffentlichkeit. Abweichend von der bisherigen Technikgeschichte geschieht diese Veränderung fortlaufend, inkrementell und im Hintergrund. Der „große Knall“ fehlt meistens. Zu den „leisen“ Top-Faktoren zählen soziale und kulturelle Aspekte. An den großen Stellschrauben von Führungsstil, Konzernkultur, Change-Management oder Verantwortlichkeiten wird im Hintergrund gedreht.  
 
Dabei betrifft die Revolution alle Lebensbereiche, wie Konsum, Mobilität, Gesundheitsversorgung, Reisegewohnheiten und Kommunikation. Unternehmen müssen nach neuen Geschäftsfeldern Ausschau halten, die Effizienz boosten, gesteigerte Erwartungen von Kund:innen erfüllen. Parallel verschwinden alte Berufe, neue entstehen. Das Handling mit den eigenen Daten verlangt nach Schutz und ethischen Maßstäben. Chancengleichheit in der Bildung wird durch digitale Tools und Lernplattformen geschaffen. Nicht zuletzt erhöht die „stille Revolution“ die demokratische Teilhabe und versorgt Bürger:innen mit digitalen Services.

Zu spät erkannt?

Viele Betriebe reagieren leider gar nicht oder zu spät. Laut diversen Studien verfehlen bis zu 70 % aller eingeleiteten Umgestaltungs-Maßnahmen ihre Ziele. Die Ursachen: Entscheider:innen unterliegen dem Irrglauben, dass Veränderungen allein durch digitale Nachrüstung bewirkt werden.  

Hier müsste am Mindset der Beteiligten gearbeitet werden. Manchmal wird einfach modernisiert, weil es „alle so machen“. Es fehlt ein klares „"Warum“, was wiederum die Akzeptanz bröckeln lässt. Hintan gestellt werden zudem Fragen nach Komplexität, Zeitplan, Vorbereitung, Flexibilität und Agilität beim massiven Eingriff in gewachsene Strukturen. Am schwierigsten wird der digitale Wandel, wenn interner Widerstand auftritt oder der Mut abhandenkommt.

Eine Frage der Existenz 

Als historische Beispiele misslungener Transformation gelten ehemalige Global Player wie Kodak und Nokia. Ihr Schicksal ist beschrieben im „Innovator´s Dilemma“: Die gleichen Kalküle, die damals globales Wachstum anschoben, machten später blind für den disruptiven Wandel. Technologische Führerschaft und Profitabilität wurden Teil des Problems. 

Zum finalen Showdown führte in beiden Fällen die Angst vor Kannibalisierung, das Verharren im Kernbusiness, die Trägheit der Geschäftslogik, die Überschätzung von Hardware, die Starrheit durch schiere Größe und die verführerische Kultur des „Erfolgsdenkens“. Negiert wurden dabei disruptive Modelle, die nicht nur für einfache Änderung stehen, sondern für grundlegenden Ersatz. 

Disruption setzt in Nischensegmenten an oder kümmert sich um vernachlässigtes Kund:innen-Potential. Die Macht der Käufer:innen ist enorm gewachsen, sie überlassen den Firmen nämlich wertvolle Daten (z. B. in Form von Feedback). KI wird mit den Informationen trainiert und liefert ihrerseits wieder personalisierte Erfahrungen an Kund:innen aus. Ein sich selbst verstärkender, lukrativer Kreislauf entsteht. Gefordert wird hierbei ein langer Atem. 

Die Kräfte dahinter 
 
Ist ein unternehmerisches Ökosystem auf Vertrauen, Transparenz und verantwortungsbewusstes Handeln getrimmt, geht es in Richtung „agile Führung“. Vertrauen kommt vor Kontrolle, kontinuierliches Lernen vor starrer Besserwisserei. 

Wesentlich für das Aufbrechen althergebrachter Rituale ist, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie anfallen. Stark verkürzte Produktzyklen fordern schnelleres Agieren und Reagieren. Die gemeinsame Verantwortlichkeit für Ergebnisse löst dabei rigides Hierarchiedenken ab. Das Rezept heißt „Dialog“ in Richtung Kunde:innen und Anwender:innen. Dazu bilden „Lebenslanges Lernen“ und Experimentieren das Potenzial für Innovationen.

Wenn Wandel misslingt         
 
Laut einer Bitkom-Studie (2025) sind die bedeutsamsten Digitalisierungs-Dämpfer u.a. herausfordernde Datenschutz-Maßnahmen, der Fachkräfte-Mangel, die fehlende Zeit im Tagesgeschäft, zu träge Entscheidungsprozesse und das Nichtvorhandensein eines zentralen Konzepts. Unklare Zieldefinitionen sowie Mängel in der Kommunikation bewirken, dass manch digitale Initiativen kaum über die Pilotphase hinaus skaliert werden.  
 
Anfängerfehler beim digitalen Wandel werden nicht selten mit Stillstand beantwortet, was existenzbedrohend werden kann. So sieht sich mehr als die Hälfte aller Betriebe von jenen Mitbewerbern überholt, die seinerzeit auf den Digitalisierungszug aufgesprungen sind. Ganz beiläufig gehen Marktanteile, Kund:innen-Kontakte, Innovations-Power und Ideen verloren. Verpasst werden weiters Zyklen für smarte Geschäftsmodelle und Technologien wie Cloud Computing, Big Data, KI und das „Internet der Dinge“ (IoT).  
 
Mutig in die Zukunft! 

Die einzige Konstante ist die Veränderung! Die ständige Anpassung ist geboten, um im Wettbewerb bestehen zu können. Nebenbei erwarten Kund:innen immer stärker individuelle und blitzschnelle Lösungen. Zusätzliche Entscheidungsräume werden durch Big Data und Künstliche Intelligenz generiert.  
 
Als Zentrum der Transformation wird immer noch die handelnde Person in ihrem sozialen und kulturellen Umfeld ausgemacht. Die „stille Revolution“ als dauerhafte Haltung startet mit der Selbstveränderung.  

Führungskräfte stärken dabei Selbstreflexion, emotionale Stabilität und das Handling von Unsicherheiten. Sie ersetzen „heroische Führung“ durch lernende und wertschätzende Leadership. Als Resultat lassen sich Resilienz, Vertrauen und Sinnstiftung ausmachen. Damit Veränderung nicht nur an der Oberfläche verharrt, verinnerlichen Teams ihre (modifizierte) Identität, die Unternehmenswerte, das Selbstbild und die übernommenen Rollen. Fazit: Transformation ist ein gesellschaftlicher Vorgang, hinter dem sich ein Menschenbild neu formiert.  
 
„Der Mensch ist nicht nur Betroffener, sondern Gestalter dieser Entwicklung“  
(Prof. Dr. Fredmund Malik, österreichischer Wirtschaftswissenschaftler und europäischer Management-Vordenker).

Kontakt

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Roman Seyyed, BSc
Digitalisierung und resiliente Produktion
roman.seyyed@standort-tirol.at 
t +43 676 843 101 233             

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