Wie Open Data unsere Mobilität verändert

Flott oder Flop? Was hat Open Data mit Mobilität zu tun? Foto: iStock

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Chancen, Herausforderungen und die Frage nach der Mobilität der Zukunft

Open Data - für viele Branchen mittlerweile unverzichtbar. Zahlreiche Unternehmen bauen auf den offenen Informationen auf, etablieren neue Geschäftsmodelle und bieten entsprechende Services an. So auch in der Mobilität. Univ.-Prof. Markus Mailer, Professor für Verkehrsplanung bzw. Arbeitsbereichsleiter für Intelligente Verkehrssysteme an der Universität Innsbruck, kennt sich damit besonders gut aus. Mit uns hat er über die Möglichkeiten, Herausforderungen und Zukunftsthemen von Open Data bzw. Verkehrsdaten in der Mobilität gesprochen.

Welche Chancen ergeben sich durch Open Data in der Mobilität?
Univ.-Prof. Mailer: Mobilitäts- bzw. Verkehrsdaten bilden die Grundlage für verschiedenste Dienstleistungen und Services. Sie dienen der öffentlichen Hand dazu, entsprechend auf Verkehrssituationen zu reagieren, wie bei Staus oder Unwetter. Gleichzeitig kann man mithilfe derartiger Daten Informationen zu Reisezeiten oder zur Wahl des jeweiligen Verkehrsmittels gewinnen und Services anbieten, die das Reisen angenehmer gestalten. Mit offenen Daten kann man also viel in der Mobilität machen. Seit 2011 gibt es in Österreich außerdem den Aktionsplan „Intelligente Verkehrssysteme“, der Services betrachtet, die auf Mobilitätsdaten aufbauen. Gerade hier spielt die Frage der offenen Daten und auch von Open Government Data als Grundlage der Dienste bzw. Services und Geschäftsmodelle eine große Rolle. Die Initiative baut im Wesentlichen auf die drei Themenfelder Effizienz, Sicherheit sowie Umwelt auf und verfolgt die sogenannte „Vision Zero“ in drei Handlungsfeldern: Effizienz – also weniger Staus und Überlastungen, Sicherheit – weniger bzw. keine Verletzte und Tote im Straßenverkehr sowie Umwelt – die Reduktion von (Luft-)Schadstoffen und Verkehrslärm.

In welchen Bereichen ist das Zusammenspiel von Open Data und Mobilität bereits Alltag?
Univ.-Prof. Mailer: Insbesondere bei Verkehrsempfehlungen ist die Nutzung von Verkehrsdaten, die durch GPS-Sensoren, Kameras und Mobiltelefone gewonnen werden, mittlerweile alltäglich. In diesem Bereich können auch Daten zum Einsatz kommen, die von den Fahrzeugen selbst gesammelt werden. Moderne Transportmittel sind mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die beispielsweise erkennen, wann und wie oft der Scheibenwischer betätigt wird, welche Außentemperatur es gerade hat, ob zuvor ruckartig abgebremst wurde oder ob es regnet. Mithilfe dieser Informationen lassen sich unter anderem Gefahrenmeldungen ableiten, die auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer wichtig sind. Ein weiteres klassisches Beispiel ist der IG-L auf der Autobahn. In Salzburg, Linz und Graz wird dieser anhand von aktuellen Wetter- und Verkehrsdaten gesteuert. Im öffentlichen Verkehr spielen nicht nur die Echtzeit-Anzeigen eine wichtige Rolle, sondern auch die Auslastung der Fahrzeuge.

Wo gibt es noch Optimierungsdedarf im Bereich Open Data und Mobilität?
Univ.-Prof. Mailer: Generell könnten die Verkehrsdienste und -informationen davon profitieren, wenn Daten offen zur Verfügung gestellt werden bzw. Informationen zwischen den Betreibern von Verkehrssystemen oder privaten Dienstanbietern ausgetauscht werden. So gibt es zum Beispiel auch im öffentlichen Verkehr sicherlich noch Möglichkeiten, Dinge zu optimieren. Vor allem im städtischen Netz, das mehrere Optionen bietet, um an einen Ort zu kommen. So fährt man beispielsweise mit der S-Bahn zur Haltestelle der U-Bahn und erfährt erst dann vor Ort, dass diese eine Störung hat und man eigentlich wo anders hätte aussteigen können. Genauso wie bei Großveranstaltungen oder Messen, bei denen ganze Straßenabschnitte gesperrt werden müssen, die Navigationsgeräte aber diese Informationen nicht erhalten und dadurch fehlleiten. Datenaustausch zwischen den einzelnen Betreibern ist also ein wesentlicher Punkt, genauso wie Kooperationsbereitschaft. Denn Datenaustausch verlangt Kooperationen. Und diese scheitern meist nicht an der Technik, sondern an den Prozessen und an dem mangelnden Vertrauen zwischen den Beteiligten.

Also sind Verkehrsdaten heute noch gar nicht so offen?
Univ.-Prof. Mailer: Das hängt davon ab, wie sie gewonnen werden. In der Theorie bedeutet „offen“, dass Daten bzw. Informationen nicht nur einem Einzelnen zur Verfügung stehen, sondern mehreren Personen oder Unternehmen. Das ist in der Praxis allerdings etwas schwieriger wegen den Geschäftsmodellen dahinter, speziell im Bereich der Open Business Data. Hier sammeln privatwirtschaftliche Unternehmen Daten und bauen ihr Geschäftsmodell darauf auf. Dass diese nicht gerne mit anderen geteilt werden, liegt auf der Hand. Im Gegensatz dazu gibt es noch sogenannte Open Government Data – Informationen, die von der öffentlichen Hand und mithilfe von Steuergeldern gesammelt werden. Grundsätzlich bedeuten offene Daten allerdings nicht, dass diese Informationen kostenlos sind. Wichtig ist nur, dass sie allen zu den gleichen Rahmenbedingungen angeboten werden.

An welchen Mobilitätsmodellen arbeiten Sie gerade?
Univ.-Prof. Mailer: Uns beschäftigt natürlich die Frage, wie man Betreiber- und Kooperationsmodelle erstellt, damit der Datenaustausch gelingt. Wir arbeiten dazu schon seit einiger Zeit an Richt- bzw. Leitlinien, die dabei unterstützen sollen. Die mangelnde Kooperationsbereitschaft zwischen den Betreibern ist also einer der wesentlichen Herausforderungen und auch die Frage, welche Rolle die öffentliche Hand dabei einnimmt, gilt es zu klären. Im Grunde geht es darum, Daten in relevante Informationen zu veredeln. Dazu muss man verschiedenste Daten allerdings erst zusammenbringen bzw. verarbeiten und in Services transformieren. Wir forschen auch an Lösungen, die es ermöglichen, dass Menschen vermehrt öffentliche Verkehrsmittel bzw. die Bahn nutzen. Mit einem Auto ist man naturgemäß flexibler, im öffentlichen Verkehr ist das Ganze etwas komplexer. Darum müssen dem Passagier viel mehr Informationen und Services zur Verfügung gestellt werden, wie etwa Umsteigemöglichkeiten, Verspätungen, Gepäcktransport, etc. Auch die Frage, wie das Radfahren im Winter attraktiver gestaltet werden kann, beschäftigt uns. So könnte man beispielsweise die Schneeräumungsfahrzeuge mit der entsprechenden Technik ausstatten, damit Radfahrer gleich in der Früh erkennen können, ob ihre Route schon geräumt wurde.

Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft aus?
Univ.-Prof. Mailer: Die Mobilität der Zukunft sieht so aus wie wir sie gestalten. Mobilität entsteht ja nur, weil Menschen gewisse Aktivitäten nachgehen bzw. ihre Bedürfnisse befriedigen wollen. Wir bewegen uns also nicht von A nach B, sondern von A nach A – von Aktivität zu Aktivität. Im Gegensatz zu früher stehen uns heute motorisierte Verkehrsmittel zur Verfügung, weswegen sich unser Aktivitätsradius auch vergrößert hat. Die letzte Mobilitätswende hat dazu geführt, dass wir sehr viel an fossiler Energie in unser Verkehrssystem gebracht haben. Heute werden wir mit den Folgen konfrontiert: Stau, Luftverschmutzung, Lärm, hohe Umweltbelastung. Wie können wir dieses Verkehrssystem ändern und gleichzeitig unseren Bedürfnissen nachgehen? Neue Technologien, die Digitalisierung und auch (Open) Data können hier sinnvoll eingesetzt werden. Allerdings sind unerwünschte Folgewirkungen, sogenannte rebound-Effekte, zu vermeiden. Beispielsweise ist E-Mobilität eine Lösung, die uns in Richtung Klimaneutralität und Energieautonomie weiterbringt. Probleme, wie der städtische Platzmangel oder Lärm, werden dadurch jedoch nicht gelöst. Dementsprechend werden wir für die zukunftsfähige Gestaltung der Mobilität die Nähe wieder zurückgewinnen müssen, also mehr zu Fuß gehen oder Radfahren und dafür auch attraktivere Möglichkeiten schaffen. Und natürlich auch das nötige Angebot schaffen, damit Menschen ihren Bedürfnissen in der Nähe nachgehen können. Es liegt also an uns, an der Politik und an der Verkehrsplanung entsprechende Angebote zu schaffen und die Mobilität der Zukunft so zu gestalten, dass sie auch nachhaltig ist.

In unserem Blog finden Sie noch mehr zu den Themen Mobilität und Open Data.

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